Erziehung und Glaube: Die Verantwortung der Eltern

Viele Eltern stellen sich irgendwann die Frage: „Haben wir in der Erziehung unserer Kinder etwas falsch gemacht?“ Besonders dann, wenn sie feststellen, dass ihre erwachsenen Kinder keinen Bezug mehr zur Kirche oder zum Glauben haben. Religiöse Praktiken sind in vielen Familien kaum noch sichtbar, Gebete mit den Kindern gehören nicht zum Alltag, und auch die Feier der Sakramente wird häufig hinausgezögert.

Dieser Wandel führt bei vielen Eltern und Großeltern zu Unsicherheit und Selbstzweifeln. Doch woran liegt es, dass der Glaube in vielen Familien nicht mehr selbstverständlich weitergegeben wird?

 

Die Bedeutung des Vorbilds in der Erziehung

Kinder lernen durch Beobachtung. Sie nehmen wahr, wie Konflikte gelöst werden, ob Eltern schwierige Situationen aus einer christlichen Haltung heraus bewältigen und ob das Gebet eine Rolle im Familienleben spielt. Die Frage, ob der Glaube aktiv vorgelebt wurde, ist daher entscheidend.

 

Ein Beispiel hierfür findet sich in einer Erzählung des Neutestamentlers Gerhard Lohfink:

Ein achtjähriges Mädchen, Laura, möchte zur Erstkommunion gehen, ist aber nicht getauft. Ihre Eltern, beide Akademiker, lehnen eine religiöse Erziehung ab und möchten, dass ihr Kind erst mit 18 selbst entscheidet, ob es einer Kirche angehören möchte.

Doch stellt sich hier die Frage: Ist es wirklich eine freie Entscheidung, wenn das Kind nie die Möglichkeit hatte, den Glauben kennenzulernen?

 

«Erziehung» geschieht immer

Eltern können nicht verhindern, dass ihre Kinder durch ihr Umfeld geprägt werden. Werte und Überzeugungen werden in Kindergarten, Schule und Gesellschaft vermittelt – ob bewusst oder unbewusst.

 

Beispiele aus der Praxis zeigen, wie stark diese Einflüsse sein können. So haben etwa einige Eltern berichtet, dass ihre Kinder bereits im Vorschulalter mit bestimmten Begriffen oder Wertvorstellungen konfrontiert wurden, die sie zu Hause nicht kennengelernt hatten. Die zunehmende Digitalisierung bringt weitere Herausforderungen mit sich, etwa durch den Zugang zu ungefilterten Inhalten im Internet.

Wenn Eltern in anderen Bereichen – wie Sport, Musik oder Fremdsprachen – frühzeitig auf Förderung setzen, warum sollte dies nicht auch für den Glauben gelten? Die Vorstellung, dass Kinder erst im Erwachsenenalter eine bewusste Entscheidung für oder gegen den Glauben treffen können, setzt voraus, dass sie überhaupt eine Grundlage dafür haben.

 

Die Verantwortung der Glaubensweitergabe

Der christliche Glaube ist nicht nur eine persönliche Überzeugung, sondern auch eine Verantwortung, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. In der christlichen Tradition spielt die Glaubensweitergabe eine zentrale Rolle – sei es durch das gemeinsame Gebet, das Erzählen biblischer Geschichten oder das Feiern der Sakramente.

Ein Kind, das nie von Jesus gehört hat, kann ihn auch nicht kennenlernen. Ein Jugendlicher, der nie beten gelernt hat, wird es als Erwachsener kaum von selbst tun. Daher ist es wichtig, Kindern den Glauben nicht vorzuenthalten, sondern ihn als wertvolle Lebensmöglichkeit anzubieten.

 

Fazit

  • Erziehung (auch durch das Umfeld) findet immer statt – Werte und Überzeugungen werden bewusst oder unbewusst vermittelt.
  • Glaubensweitergabe ist keine Bevormundung, sondern ein Angebot, das Kindern die Möglichkeit gibt, sich bewusst für den Glauben zu entscheiden.
  • Eine christliche Erziehung schafft Orientierung und gibt Kindern die Chance, in einer von vielen Einflüssen geprägten Welt Halt zu finden.

Wer den Glauben nicht vorlebt, kann nicht erwarten, dass er in der nächsten Generation weiterbesteht. Die Frage ist also nicht nur, ob man alles richtig gemacht hat, sondern vielmehr, ob man seinen Kindern überhaupt die Möglichkeit gegeben hat, den Glauben kennenzulernen.