Der nachfolgende Beitrag kann auch als KI-Podcast gehört werden, wobei die KI offensichtlich den neuen Papst Leo XIV. noch nicht kennt.
Das sogenannte duale System prägt die katholische Kirche in der Schweiz. Es sieht vor, dass zwei Linien nebeneinander bestehen: einerseits die pastorale Leitung durch Priester und Seelsorger, andererseits die staatskirchenrechtliche Verwaltung durch Kirchenräte. Diese Aufteilung wurde eingeführt, um Transparenz und Mitbestimmung zu sichern. Doch gerade an ihren Grenzen zeigen sich heute große Probleme, die das geistliche Leben der Kirche schwächen.
Wichtiger Hinweis:
Die nachfolgende Analyse beleuchtet allgemeine Tendenzen, wie sie sich in der gesamten Schweiz zeigen – gespeist durch eigene Erfahrungen, den Austausch mit anderen Priestern und
Seelsorgenden. Dabei ist zu betonen, dass wohl die meisten Kirchenräte sich mit großem Engagement um ein gutes und konstruktives Verhältnis zur Seelsorge
bemühen.
Schon Papst Leo XIII. warnte davor, die Demokratie zum höchsten Maßstab zu erheben. Demokratie sei ein wertvolles Instrument, aber nicht die oberste Instanz in Glaubensfragen. Gerade in kirchlichen Angelegenheiten, die Wahrheit und Heil betreffen, genüge das Mehrheitsprinzip nicht.
Diese Linie wurde jüngst von Papst Leo XIV. bestätigt. In einem Interview sprach er sich ausdrücklich dagegen aus, dass die katholische Kirche künftig durch demokratisch gewählte Gremien geführt wird. Nach seinen Erfahrungen in Lateinamerika und in den jüngsten Synoden hoffe er zwar, „dass wir Wege finden, gemeinsam Kirche zu sein“. Aber er stellte klar: „Das bedeutet nicht den Versuch, die Kirche in eine Art demokratische Regierung zu verwandeln.“ Und weiter: „Wenn wir uns in der heutigen Welt umschauen, ist Demokratie nicht notwendigerweise die beste Lösung für alles.“
Damit wird deutlich: Demokratische Strukturen haben ihren Platz, sie sind aber nicht die Grundlage der Kirche. Kirche lebt aus Offenbarung, aus Sakramenten und aus der Sendung Christi – nicht aus Mehrheitsentscheidungen.
Als das duale System eingeführt wurde, waren Kirchenräte überwiegend gläubige Menschen. Sie nahmen am Gottesdienst teil und verstanden sich als Unterstützer der Seelsorge, wie es vor Jahren eben allgemein üblich war. Heute jedoch zeigt sich eine andere Realität: Viele Kirchenräte sind im Glauben kaum mehr engagiert, manche nehmen gar nicht mehr am gottesdienstlichen Leben teil.
Das Zweite Vatikanische Konzil betont jedoch klar, dass die Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ ist (Lumen Gentium 11). Wer kirchliche Verantwortung trägt, aber die Eucharistiegemeinschaft meidet, entzieht seinen Entscheidungen die geistliche Grundlage. Auch Sacrosanctum Concilium (14) fordert die „volle, bewusste und tätige Teilnahme“ aller Gläubigen an der Liturgie. Fehlt diese Basis, verkommt kirchliche Leitung zu bloßer Administration.
Kirchenräte haben im dualen System wichtige Aufgaben in Verwaltung, Finanzen und Organisation. Doch viele sind sich ihrer eigentlichen Bestimmung nicht bewusst.
Die Verfassung der Römisch-Katholischen Landeskirche Nidwalden legt klar fest, was Sache des Kirchenrates ist – und was nicht:
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Kirchenräte diese klaren Grenzen zuweilen überschreiten. Statt im Hintergrund für gute Rahmenbedingungen zu sorgen, greifen sie in seelsorgliche Fragen ein, als ob sie eine Art politischer Gemeinderat wären. Dies führt zu Kompetenzkonflikten, untergräbt die geistliche Autorität der Seelsorger und schwächt letztlich die Sendung der Kirche.
Allerdings geschieht dies nur dann dauerhaft, wenn sich der Pfarrer nicht zu wehren weiß. Denn die Verfassung der Landeskirche wie auch das kirchliche Recht geben ihm klare Kompetenzen in Fragen von Liturgie und Seelsorge. Wird dieser Kompetenzbereich von Laiengremien unrechtmäßig verletzt, besteht durchaus die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten – sowohl im staatskirchenrechtlichen Rahmen wie auch auf Grundlage des kirchlichen Rechts (vgl. CIC can. 528–530 über die Aufgaben des Pfarrers).
Ein weiteres Defizit besteht darin, dass die persönliche Eignung von Kirchenratsmitgliedern kaum überprüft wird. Weder einwandfreier Lebenswandel noch geistliche Praxis oder Loyalität zur Kirche sind ernsthafte Kriterien für die Wahl. So können Menschen in ein kirchliches Amt gelangen, die zwar verwalten, aber nicht bezeugen.
Das Konzil erinnert daran, dass alle Christen zur Heiligkeit berufen sind (Lumen Gentium 39–42). Wer in leitender Funktion steht, muss diese Berufung besonders glaubwürdig leben.
Kriterien für eine mögliche Eignungsprüfung könnten sein:
1. Glaubenspraxis:
2. Lebensführung:
3. Loyalität zur Kirche:
4. Persönliche Reife:
5. Kompetenzen für das Amt:
Eine solche Prüfung würde nicht dem Zweck dienen, Menschen auszugrenzen, sondern sicherstellen, dass diejenigen, die Verantwortung tragen, dies im Einklang mit dem Glauben und der Sendung der Kirche tun.
Eine mögliche Lösung wäre, dass sich zusätzlich zu den staatlich anerkannten Körperschaften Vereine von gläubigen Katholiken bilden, die aus freien Beiträgen den Pfarrer und die Seelsorge unterstützen. Auf diese Weise könnten Menschen, die zwar aus der Körperschaft "Kirchgemeinde" austreten, aber katholisch bleiben, aktiv und bewusst das kirchliche Leben fördern. So würde sich ein Netz von Glaubenden bilden, das unabhängig von rein politischen Mechanismen die geistliche Sendung stärkt.
Darüber hinaus wäre es dringend angezeigt, für bestehende Kirchenräte eine geeignete Schulung anzubieten, in der sie ihre Aufgabe im Spannungsfeld zwischen Verwaltung und Seelsorge reflektieren können. Dabei müsste klar vermittelt werden, dass ihr Amt dem Dienst an der Kirche und nicht der Durchsetzung persönlicher Interessen oder politischer Mechanismen dient. Im Wahlkampf sollte zudem nachgefragt werden, ob Kandidaten eine solche Schulung besucht haben – und wenn nicht, weshalb. Dies würde helfen, die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Amtes zu unterstreichen und die Verbindung zwischen Verwaltung und gelebtem Glauben zu stärken.
Das duale System bietet Vorteile, aber es stößt an Grenzen, wenn die geistliche Dimension vernachlässigt wird. Leo XIII. hat vor einer Überhöhung der Demokratie gewarnt, Leo XIV. bekräftigt heute: Die Kirche darf nicht zu einer Art demokratischer Regierung werden.
Kirche ist mehr als Verwaltung. Sie lebt aus dem Glauben, aus der Eucharistie und aus der Sendung Christi. Demokratische Strukturen können hilfreich sein – aber nur, wenn sie dem Glauben dienen und nicht an seine Stelle treten.
22.09.2025
Seit Februar 2021 bin ich Pfarrer in der Pfarrei Hergiswil am See, Nidwalden (NW).
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